Vom Kunstwerk wird behauptet, es wäre der primäre und erschöpfende Ort der Kunst. In der Gegenwart des Artefaktes, in seinem Hier und Jetzt wird der Kunstgedanke und der Kunstwille als Ganzes herausgestellt und erschöpfend erfahrbar gemacht.
Wer anders als der Künstler wagt eine solche Behauptung? Ihr wird heute von vielen Seiten widersprochen. Die Verbindlichkeit des Kunstwerkes als genuiner Ort der Kunst ist nicht selbstverständlich. Im Gegenteil wird allenthalben davon ausgegangen, daß der Kontext, in dem ein Werk erscheint, dieses nicht nur bestimmt, sondern mit begründet. Es wird sogar bereits der Nachweis geführt, daß der Diskurs, der über ein Werk geführt wird, der das Werk zum Anlaß nimmt, der eigentliche Ort sei, in dem der Kunstgedanke seine wahre Entfaltung fände. Dem künstlerischen Selbstverständnis vom Kunstwerk als primären Ort der Kunst stehen viele Interessen entgegen, die die Kunst in ihren sekundären Orten, wie zum Beispiel der Ausstellung, der Vermarktung oder dem Kommentar besser aufgehoben sehen.
Ein zweiter Teil des Symposions will darum untersuchen, welchen Gefährdungen, Versuchungen und außerkünstlerischen Interessen das Kunstwerk in seiner heute totalen Veröffentlichung und Instrumentalisierung ausgesetzt ist. Hatte die Vermarktung des Kunstwerkes dieses immer noch als einzigartiges und unverwechselbares im Sinn, wenn auch sehr spekulativ, so sind heute Interessen wirksam, die sich von der Incommensurabilität des Werkes abgewendet haben und allein dessen Veröffentlichung als spektakuläre und publizitätsversprechende Folie für ihre eigennützigen Projektionen verstehen. Sponsoring und Werkverträge, wenn nicht sogar Steuersparmodelle gehören heute selbstverständlich zum Geschäft mit der Kunst. Wer verteidigt heute in einer Gesellschaft, die bald alle Bereiche zur Verwertung freimacht, die Idee der Wertfreiheit der Kunst? Der Staat bzw. die Kommunen ziehen sich zunehmend aus dieser Verantwortung zurück. Ist die Kunst darum zum Freiwild erklärt?
Hehre Kunst oder Hure Kunst? Im Anschluß an die Beschreibung der vielfältigen Avancen, die dem Kunstwerk heute gemacht werden und die es oft nicht ausgeschlagen hat, sondern sogar angenommen hat, stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Kunstwerkes.
In einem dritten Teil soll darum der Frage nachgegangen werden, welcher Umgang mit dem Werk dieses noch bewahren kann. Sind die herkömmlichen Selbstverständnisse noch die Weisen, ein Werk zu würdigen: Das Sammeln, sei es privat oder durch die öffentliche Hand. Gibt es noch eine legitime und sinnvolle Art der Bildbetrachtung und Bildbeschreibung? Ist die Architektur als Mutter der Künste in der Lage, dem Werk einen Platz zu schaffen oder feiert sie sich in den Museumsbauten nicht nur selber? Ist der Bezug auf das Nationale bzw. das Internationale oder gar auf die Welt als Weltkunst für das Werk identitätsstiftend? Welche Theorien versprechen eine Näherung an das Werk und nicht nur eine Verabsolutierung der eigenen Rhetorik? Also taugen Begriffe wie »das Neue« zur Begegnung mit einem Kunstwerk? Hat die postmoderne Wiederbelebung des Begriffes des Erhabenen das Werk als solches wirklich verstanden? Welchen Dienst erweisen die herkömmlichen Zuordnungen wie Malerei, Skulptur, Installation etc. der Erfahrung des Kunstwerkes? Erreichen Ideen wie die Freiheit, die Autonomie oder gar die Schönheit noch die Realitäten eines Werkes?
Solidarität mit dem Kunstwerk, Skepsis und nüchterne Beschreibung sollen in diesem Symposion die Gegend des Werkes durchmessen. Künstler und am Werk Interessierte, also das Publikum, sollen erfahren, welche Möglichkeiten dieser rätselhafte Gegenstand, das Kunstwerk, heute noch hat.
Thomas Huber
Heinz-Günter Prager
Helmut Schweizer
Januar 1998
Programm
4. Dezember 1998
Begrüßung und Empfang durch Oberbürgermeisterin Marlies Smeets im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
5. Dezember 1998
Künstler-Verein Malkasten, Düsseldorf
»Das Kunstwerk ist ein Ort und vielleicht der schönste, an dem die Idee der Kunst anzutreffen ist.«
Einführung
Prof. Thomas Huber, Mettmann
»Der Ort der Kunst ist ihr Ereignis.«
Referenten
Prof. Dr. Stephan Schmidt-Wulffen, Hamburg
Prof. Josef Paul Kleihues, Dülmen
Dr. Hans Fey, München
Diskussion
Prof. Dr. Beat Wyss, Stuttgart
Stephan Huber, München
Dr. Raimund Stecker, Düsseldorf
Prof. Klaus Wagner, Düsseldorf
Moderation
Gisela Marx, Köln
»Wer trägt die Verantwortung für die Orte der Kunst?«
Referenten
Ministerin Ilse Brusis, Düsseldorf
Prof. Christos Joachimides, Berlin
Bernd Kauffmann, Weimar
Prof. Hartwig Piepenbrock, Berlin
Diskussion
Ute Meta Bauer, Wien
Prof. Lothar Baumgarten, Düsseldorf
Gerhard Pfennig, Bonn
Prof. Heinz-Günter Prager, Köln
Dr. Sybille Ebert-Schifferer, Dresden
Moderation
Gerhart Rudolf Baum, Köln
Schlußwort
Prof. Michael Schoenholtz, Berlin
6. Dezember 1998
»Wer wohnt an den Orten der Kunst?«
Referenten
Dr. Franz Meyer, Zürich
Prof. Wolfgang Welsch, Bamberg
Dr. Johannes Meinhardt, Tübingen
Prof. Thomas Huber, Mettmann
Schlußwort
Prof. Michael Schoenholtz, Berlin