Markus Keibel, Line, 2019/2022
© Markus Keibel/VG Bild-Kunst Bonn 2022
Peter Klare, o.T., 2018
© Peter Klare/VG Bild-Kunst Bonn 2022
Peter Pumpler, Ghost II, 2013
© Peter Pumpler/VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Zuzanna Skiba, Hotspot, 2018
© Zuzanna Skiba/VG Bild-Kunst Bonn 2022
Ausstellungsansicht »TASTY PAINTING«, Deutscher Künstlerbund
Foto © Deutscher Künstlerbund
Nikolaus List, Lob des Schattens, 2015, © Nikolaus List; Peter Klare, o.T., 2018, © Peter Klare/VG Bild-Kunst Bonn 2022; Zuzanna Skiba, Hotspot, 2018, © Zuzanna Skiba/VG Bild-Kunst Bonn 2022; Markus Keibel, Line, 2019/2022, © Markus Keibel/VG Bild-Kunst Bonn 2022
Begrüßung: Philip Kojo Metz, Vorstand Deutscher Künstlerbund
Einführung: Nicola E. Petek, Kuratorin und Autorin
Vital oder ölig? Süß oder pelzig? Die Ausstellung »TASTY PAINTING« spürt dem Geschmack der zeitgenössischen Malerei nach. Direkt und ohne Umschweife manifestiert sich Körperlichkeit an der Oberfläche, voller Lust und Energie wird das Tafelbild erweitert und neu aufgelegt.
Immer wieder totgesagt, behauptet sich heute die Malerei mit neuem Selbstbewusstsein. Sie hadert nicht mit sich selbst, stellt sich nicht in Frage, bindet sich nicht an ästhetische Konzepte. Das gemalte Bild der Gegenwart stellt sich seinem Gegenüber, es ist Tatort und Aktionsfeld zugleich. Die Erschaffung eines Illusionsraums voller Metaphern und philosophischer Aufladungen ist einer spürbaren Sinnlichkeit gewichen, die bewusst Mensch und Körper in den Mittelpunkt rückt.
Frisch, mutig, spielerisch und vor allem provokant präsentieren sich die Werke der Ausstellung im Hier und Jetzt. Sie alle verbindet - unabhängig ob sie abstrakt, fantastisch oder politisch motiviert sind - Experimentierfreudigkeit mit dem Material und Format. Bildträger wechseln zwischen Leinwand, Kunstfell und Glas hin und her, aufgetragen wird neben Öl und Acryl auch Bitumen, Teer oder Asche. Dabei entstehen Schichtungen, die sich teilweise bis ins Objekthafte verdichten. Ob freudig bunt oder zurückhaltend in schwarz, die auf der Oberfläche hinterlassenen Spuren betonen die Lust am Material und vor allem an der Zeitgenossenschaft.
Die sieben an der Ausstellung »TASTY PAINTING« beteiligten Künstlerinnen und Künstler – Markus Keibel, Peter Klare, Anna Leonhardt, Nikolaus List, Peter Pumpler, David Richter und Zuzanna Skiba – geben dem Gemalten seine freudige Existenz. Sie verhandeln auf der Bildfläche die Grundelemente der Malerei und stellen mit ihren Werken Fragen: Was ist ein Gemälde heute? Was macht es aus? Gezeigt werden Kostproben zwischen gestaltetem Ausdruck und Spontanität, Lockerheit und Unruhe, selbstsicher und sinnlich nehmen sie Stellung zum aktuellen Diskurs über die Malerei.
Kuratiert von Zuzanna Skiba
Markus Keibel (Berlin) beschäftigt sich in seiner künstlerischen Praxis mit der Philosophie der Aufklärung und der Demokratie als Staatsform. Eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit sieht der Künstler in der Fragilität der Demokratie, die schon seit Jahren durch Irrationalismus, Verschwörungstheorien und von Populismus unterwandert wird. Gespeist durch Reaktionismus werden Ängste verbreitet, die im privaten wie im öffentlichen Leben destabilisierend wirken. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit Line, 2019 nimmt durch ihre Materialität provozierend Stellung dazu. Keibel legt Glasplatten in einem Kreis aus, die partiell mit der Asche einer verbrannten Abschrift der us-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 bemalt sind. Dieser anmaßende Akt des Verbrennens einer Publikation des Humanismus ist bewusst angelegt. Der Künstler weist zum einen auf Zensur, den damit eingehenden Verlust von Wissen sowie den Akt der Zerstörung von Werten hin, zum anderen zeigt er in Line eine Metamorphose, die durch ihre formale Erneuerung den Antrieb des Visionären implementiert.
Fällt bei Peter Klare (Berlin) die Wahl auf Kunstfell als Bildträger, fordert er mehr als nur die Dialektik von Aktion und Reaktion während des Malprozesses heraus. Mit selbstsicherer Experimentierfreudigkeit ersetzt er die ebene Oberfläche der Leinwand mit einem flauschigen Material, dessen Textur schon Tiefe mitbringt und die Suche nach dem Illusionsraum für obsolet erklärt. Das Fell leistet im Malprozess unmittelbar Widerstand: zum einen, weil da schon etwas ist und zum anderen, weil es geradezu eigenständig beim Bemalen durch Ölfarbe reagiert. Des Künstlers Pinsel trägt die Farbe auf und wie Klare anmerkt »malt das Fell zurück«. Zurück bleiben verklebte monochrome Strähnen, deren Textur und Haptik ebenso abstoßend wie einladend sind. Durch Klares veränderte Bedingungen erhalten die großformatigen Werke einem objekthaften Charakter und überführen die Malerei in die Zeitgenossenschaft.
Als »Raumzeug« bezeichnet Anna Leonhardt (Berlin und New York) ihre Malerei. Horizontale und vertikale Rechtecke schweben im ausgewogenen Nebeneinander über die Bildoberfläche. Mit sattem Impasto und ausgefransten, verkrusteten Rändern bilden sie ein Gewebe aus Farbfeldern, die zwischen Geometrie und Abstraktion hin- und herpendeln. Leonhardt baut ihre Werke Schicht für Schicht auf, verzieht die aufgetragene Ölfarbe mit dem Spachtel, nimmt Verwischungen in Kauf und schafft dabei intuitiv Farbräume, die in einem permanenten Austausch mit einander sind. Die dabei entfesselte Farbe erzeugt zwischen ihrer Tonalität und Materialität eine Balance und einen Rhythmus, die auf die Körperlichkeit von Malerei ebenso verweist wie auf den Dialog zwischen Künstlerin und Kunstwerk.
Nikolaus List (Berlin) beschäftigt sich in seiner künstlerischen Auseinandersetzung auf poetische Weise mit existenziellen Themen der Malerei. So steht für den Künstler die Frage, welche Rolle ein gemaltes Bild in Zeiten unendlicher medialer Bilderflut einnimmt, im Zentrum der Diskussion um den zeitgenössischen Diskurs. Das gemalte Bild transportiert für List eine eigene Sprache, es ist eine kommunizierende Fläche und zugleich eine Bühne, auf denen er Rhythmen und Strukturen sichtbar werden lässt. Das in der Ausstellung gezeigte Werk Lob des Schattens zeigt eine fantastische, surreal anmutende Szene, die zwei sehr unterschiedliche Bäume zusammenführt. Leuchtendes Blätterwerk und Geäst schmiegen sich elektrisiert in den Bildraum ohne dabei den kahlen Stamm seines Pendants zu berühren. Die Begegnung der beiden eröffnet ein Gespräch, das ähnlich wie die Malerei zwischen Irrtum, Täuschung und Klarheit changiert.
Die Werke von Peter Pumpler (Berlin) sprechen über ihre Entstehung, über Farbe als Material und als räumlichen Körper. Der Prozess des Malens und sein Ergebnis werden als Analyseinstrument zur Grundlage der Befragung von Malerei eingesetzt. Pumpler begreift Farbe ebenso wie den Bildträger als Material im skulpturalen Sinne und nicht als Mittel zum Zweck. Das heißt, die Bildmittel transportieren keine Bedeutungen oder Botschaften und wenn Erzählungen, dann nur diese, wie die Arbeit entstanden oder scheinbar entstanden ist. Farbe wird nicht eingesetzt, um einen Illusionsraum zu erzeugen, sondern wird selbst Bild. Der Bildträger wird bei der Suche nach Komposition und Bildlösung mit eingeschlossen. Farbe und Träger sind Bild, Objekt und Aussage in einem und stellen mit provozierter Ambivalenz unsere Idee von Malerei in Frage.
David Richters (Karlsruhe und Basel) Werke sind abstrakt und minimal. Sie ergründen essentielle Grundbausteine der Malerei: Bildoberfläche, Farbe, Rhythmus, Struktur, Textur und Form. Der Akt des Malens ist in jedem seiner Bilder gegenwärtig, ist Thema und Konzept zugleich. Mit einer großzügigen Leichtigkeit bringt Richter Farbe auf den Bildträger auf, ohne dabei im klassischen Sinne zu malen. Die ausgestellte Arbeit o.T. von 2021 ist vielmehr ein Abklatsch: die Acrylfarben werden gemäß dem Verfahren der Monotypie von einer bemalten Platte auf die grundierte Leinwand gedruckt. Sichtbar werden nun Strukturen und Schichten, die Farbe ist sicht- und zugleich fühlbar. Es entsteht eine haptische Genugtuung, die neue Wege einer abstrakten Bildsprache aufzeigt.
Die künstlerische Arbeit von Zuzanna Skiba (Berlin) basiert auf der Kreation eines sogenannten »Hotspots«, der eine imaginierte Berührung zwischen Künstlerin, Kunstwerk und Betrachter*innen bündelt. Ihre abstrakte Malerei beschäftigt sich mit unsichtbaren Verknüpfungen, wendet sich verborgenen Triebkräften und inneren Energien zu, die auf der Bildoberfläche in freien Formen sichtbar werden. Der Malprozess ist für die Künstlerin eine Transformation von Gedanken, Erinnerungen und Emotionen, die Schicht für Schicht und Linie für Linie aufgetragen werden. Skiba scheut nicht den Einsatz von verschiedenen Materialien wie Bitumen und Öl, um mal haptisch, mal flächig fragmentierte Körperlichkeit in einem gemeinsamen Bildraum zusammenzufügen. Die Werke erscheinen wie Ausschnitte von Landschaften, eine Erweiterung von Impulsen angereichert mit geistiger Energie.