Christine Schulz »Looping«
© VG Bild-Kunst, Bonn 2013
Verlängert bis 22.09.2013 Eine durch die Schaufenster einsehbare Multimedia-Installation-
Projektionszeiten: Dienstag bis Freitag sowie am Sonnabend und Sonntag
21./22.09.2013 | 14:00 – 23:00 Uhr
Über das unermesslich weite Reich und all jene »unsichtbaren Städte«, von denen Italo Calvino in seinem gleichnamigen Erzählband den berühmten Reisenden Marco Polo berichten lässt, herrscht Kublai Khan. Wegen seiner Regierungsgeschäfte unabkömmlich heißt Herrschaft für ihn, blind zu sein für das Beherrschte. Marco Polo wird zu seinem Auge, durch das er erblickt, was ihm selbst niemals begegnen wird. Heute würde der große Khan nicht länger den Erzählungen eines Reisenden lauschen, sondern die für ihn körperlich unerreichbaren Landschaften seines Reiches auf den virtuellen Wegen der weltumspannenden Kommunikationsnetzwerke durchqueren. Zwischen den eigenen Erinnerungen und denen anderer wüsste er immer noch nicht zu unterscheiden.
Christine Schulz öffnet mit ihren ineinander und im Raum verschränkten multimedialen Projektionen Erinnerungslandschaften, deren assoziativ verknüpftes Bildmaterial sich zu raumzeitlich verrückten Welt-Bildern fügt. Ihre für den Projektraum des Deutschen Künstlerbundes entwickelte Installation »memories of future desires« ist eine Zusammenstellung von ausgewählten Einzelwerken aus dem Werk-Archiv »Godspeed«. Dieser Bildfundus spricht auch von der Allgegenwart touristisch aufbereiteter Stadtansichten und mit Fotoapparaten eingefangener Momente des Da-Gewesen-Seins, die als ortlose und endlos wiederholte Panoramen auf Plakatwänden und Multimedia-Screens ebenso wie auf Handy- und Computer-Bildschirmen erscheinen. Solche Bilder beschreiben Orte, an denen man gerade nicht ist, als diejenigen, an denen man gerade sein sollte – um dort wiederum Bilder zu erzeugen, die, via Mobiltelefon und Internet herumgereicht, von vorübergehender Anwesenheit ebenso wie von vorübergehender Abwesenheit zeugen.
Christine Schulz verstrickt immaterielle Projektionen in assoziative Bedeutungszusammenhänge. Geradezu bildhauerisch werden diese geisterhaften Bildschatten im Raum aufgefaltet, verzerrt, verschränkt und teilweise unsichtbar, um an anderer Stelle als Überlagerung auf ein anderes Motiv zu treffen.
Nur am Abend der Vernissage öffnet sich diese in den Raum gebaute Welterkundung einer Begehung. Ansonsten zeigt sie sich dem Passanten, im Wechsel zwischen Tag- und Nachtansicht, hinter den Scheiben der Schaufenster: Unerreichbar zwar, aber offen für den neugierigen Blick, der – sich an nie Gesehenes erinnernd – das unterbrochene Bild über Verschattungen und Leerstellen hinweg ergänzt.
Christine Schulz ist Künstlerin und lebt und arbeitet in Berlin und Garbolzum. Im Jahr 2003 hat sie ihr Studium der Freien Künste an der HBK Braunschweig bei John Armleder, Birgit Hein und Thomas Virnich als Meisterschülerin von John Armleder abgeschlossen. Im Jahr 2001 erhielt sie den Förderpreis der Kunsthalle Wilhelmshaven,
2004 nahm sie ein Aufenthaltsstipendium der Künstlerhäuser Worpswede wahr und 2002 wurde ihr ein Jahresstipendium des Landes Niedersachsen zuerkannt. Seit 1999 zeigt sie ihre Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.